eine Reminiszenz
Dem Anlass angemessen wurde seit Monaten gewuselt, recherchiert, besprochen und vor allem geplant. Denn da wurde uns Eutritzschern ein Erbe überlassen, dessen wir uns erst im Laufe der Vorbereitungen so richtig bewusst wurden. Bereits die „Herumstöberei“ in der Vergangenheit brachte so manche Überraschung an das Tageslicht. Denn die 150-Jahre SVE ist ja ein kleiner und konkreter Teil der jeweiligen Zeitgeschichte, ist ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft und ihrer Menschen. Dabei war die Recherche in den zahlreichen Quellenmaterial spannend, weil sich die gesellschaftlichen Umbrüche und Widersprüche der jüngeren deutschen Geschichte natürlich auch im Vereinsleben wieder spiegeln. Dazu gab es die verschiedenen Sichtweisen und die unterschiedlichen Auslegungen auf die Vereinsgeschichte, welche geprägt waren vom jeweiligen Zeitgeist des Verfassers…
Die Gedenkschrift vom Oktober 1910 zur „50jährigen Jubel-Feier des Turnvereins Leipzig Eutritzsch“ verweist mit einem gesunden Stolz auf das Errungene, beschreibt die Vereinsgeschichte, welche geprägt war von „unzähligen uneigennützigen Tätigkeiten wackerer Turngenossen, deren Wirken für die gute Sache zu danken ist, dass sich unser Verein aus den aller kleinsten Verhältnissen zu dem Ansehen durchringen konnte, dessen er sich heute erfreut.“
1861 hatte der Verein 71 Turner; 1910 gab es bereits 1058 Vereinsmitglieder. Eine kurze und anschauliche Beschreibung der wesentlichen Vereinshöhepunkte schildert das Leben des Vereins von 1860 einer Zeit, in der im Sommer im Freien geturnt wurde, „es jedoch im Winter in Ermangelung eines geeigneten Raums nicht geturnt werden konnte“, über die Errichtung der ersten Turnhalle 1872/73 (Kosten 1900 Thaler aus Stiftungen und Sammlungen). 1895 wurde die neue, stattlichere Turnhalle innerhalb von 5 Monaten (!) in der Wittenberger Str. gebaut (Kosten nicht bekannt, „Baugeld wurde aus Anteilscheinen aufgebracht“)….
Die Schrift zum 75-jährigen Jubiläum im Jahre 1935 war auch geprägt von den Andenken an die Errungenschaften der Vergangenheit, aber bereits durchsetzt von dem Gedenken an die Vereinsopfer des verlorenen 1. Weltkriegs und von der zunehmenden Bedeutung der „Leibesübungen zur Körperertüchtigung“ und der „Kraft deutschen Volkstums“….
In zwei Staatexamensarbeiten der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport aus dem Jahre 1961 wurde die Entwicklung des Sportvereins Eutritzsch mit der ideologisch geprägten Sichtweise des Sozialismus untersucht und dargestellt. So gab es in Eutritzsch seit 1910 neben dem aus „bürgerlichen Mitgliedern und Arbeitern bestehenden“ Turnverein Leipzig Eutritzsch den Turn- und Sportverein „Vorwärts“ Leipzig Eutritzsch als „Arbeiterturnverein“. Erst 1945 kam es zum Zusammenschluss beider Vereine (879 Mitglieder)…
Doch unser Erbe aus der Vergangenheit sollte uns Ansporn sein zu einer angemessenen Feier von uns derzeit ca. 50 „letzten Eutritzscher Mohikanern“. Klare Sache, die fotografisch festgehaltene gymnastische Massenübung zur 100-Jahrfeier 1960 war unser Vorbild. Unser Vorturner im klassischen Sinne war auch unser Meister. Sepp der gelenkige Oldie eröffnete den feierlichen Anlass mit historisch anmutenden Leibesertüchtigungen, die aber doch recht real schmerzten, sofern man(n), frau diszipliniert mit turnten. Die fotografische Ablichtung dieser Ertüchtigung zeigt jedoch trotz allem ernsthaften Bemühens unsere disziplinären Defizite zu 1960 an.
Na glücklicherweise für uns kein Problem, denn die Devise des Festes war Sport mit Spaß! Ein historisches Sportfest mit verschiedenen in Eutritzsch einst bzw. heute noch aktiven Sportarten wurde es. So wurde (Hallen)Hockey, (Soft)Fußball, Volleyball und Faustball gespielt. Es wurde modern und historisch gefochten und meisterlich geturnt. Dank unserer poppigen Gymnastinnen gab es im Hallenfoyer ein opulentes selbst gekochtes/gebackenes/gerührtes Buffet sowie eine leckeren Grill und Ausschank auf der Freifläche hinter der Halle. Neben Kinderspielen, Schminken (nicht nur für Kinder…) einer Videopräsentation von Highlights aus der Vergangenheit und von heute gab es vor allem viel Spaß am gemeinsamen Wettstreit zwischen den 6 Riegen. Dem konnten selbst die drei Verletzungen (eine lädierte Fingerkuppe, ein gestauchtes Sprunggelenk und eine gerissene Archillessehne) keinen Abbruch bringen.
Eindeutig coolste Sache war für uns Volleyballer das Faustballspiel, welches uns mit viel Geduld und Verständnis von unsren Sportfreunden aus Mölkau beigebracht wurde. Vielen Dank, nochmals!! Es war so gut, dass wir (mindestens) einen Volleyballer an euch Faustballer „verloren“ haben…
Zur Abendveranstaltung fanden wir uns zu Musik, Tombola, Quiz und Buffet in der Lutherburg ein. Luthers „Jünger“, die uns bereits am Tag kneipergerecht unterstützen, zauberten anlässlich der 150-Jahre allerhand Kulinarisches. Es gab rege Gespräche und interessante Kontakte zu alten und uralten Vereinsmitgliedern und Sympathisanten.
Insgesamt war es eine gelungene, historische und doch zeitgerechte „Jubelfeier“ zum 150. voller sportlichem Ehrgeiz, voller Erfolge. Dank allen aktiven Akteuren aus dem Verein, dem Hallenwärter-Duo, Luthers Jünger aus der benachbarten Burg, Dank aber auch unseren zahlreichen Gästen und Freunden. Ich denke, am Ende gab es nur Sieger. Auch wenn die in historischen Analen so rege beschriebene Eutritzscher Bevölkerung eher weniger zahlreich erschien (war es der November-Dauerregen oder die Bequemlichkeit..?), wir machen auf jeden Fall weiter „im Sinne der deutschen Turnersache“ als Volleyballer und poppige Gymnastinnen und das in Eutritzsch.
Ein Zeitzeuge