Endlich mal wieder ein kleiner persönlicher Erfolg. Nach dem letzt jährigen körperlichen Dilemma schritt-gemacht und eisern trainiert (die Einsamkeit eines Langstreckenläufers…) es hat sich gelohnt. Nur wer einmal (nach 41 km) inmitten der Fahrbahn „Unter den Linden“ mit Blick auf das Brandenburger Tor – beidseitig angefeuert von Tausenden am Rand und auf Tribünen – und das kurz dahinter erkennbare Finish gelaufen ist, kann das unbeschreibliche Gefühl nachempfinden, durch das (in meiner Erinnerung immer noch lebendig als das unnahbare und zugemauerte) Tor ungehindert und frei zu gelangen.

Am verregneten Sonntag noch „vor dem Aufstehen“, noch bevor die Megastadt aufwacht, ging’s los. Schnell noch eine Banane reingestopft und Rätselraten „Was ziehe ich an?“ Am besten Zwiebelprinzip. Regen- Trübsinn- nicht mal ein Hund auf der Strasse – eigentlich eine so richtige im Bett-Kuschel-Stimmung. Bin ich hier im richtigen Film? Aus du Jammerlappen, jetzt geht’s los, lang ersehnt! Und schon an der ersten U-Bahn Station die ersten an den weißen Marathon-Kleidersäcken erkennbaren „Verbündeten“. Bis zum Bahnhof Zoo verstärkte sich der Zustrom der Weißbesackten und endete am Hauptbahnhof in einer Pilgerschar ähnlichen Masse. Die endlose Karawane drängte unaufhörlich durch das Morgengrauen, vorbei an Angelas Garten bis zu den Kleiderdepots auf der eingezäunten und streng bewachten Wiese vor dem Reichstag. Doch wo waren die im Plan eingezeichneten Umkleidezelte???? Also Umkleiden unter dem weit auskragenden Dach des Paul-Löbe-Hauses inmitten einem internationalen Sprachgewirr (ca. 120 Nationen waren läufig).

Es waren noch gute 50 Minuten bis zum offiziellen Start, also eigentlich ausreichend Zeit. Pustekuchen. In dem spannungsgeladenen Gewusel voller Vorfreude und mit einem mulmigen Bauch stellte ich mich an deiner der ca. 50 DIXIS an; vor mir ca. 20 ebenfalls Bedürftige… Nach einer reichlichen halben Stunde war’s dann im Örtchen erfolgreich jedoch nicht gerade gemütlich und wurde mit Luftanhalten und ohne Papier (war alle…) überstanden. Jetzt wurde es zeitlich eng, also im lockeren Laufschritt die ca. 1,5 km bis zum zugewiesenen Startblock F. Nur gut, gegen den Dauerregen und Kälte gab es grüne Wärmefolien. Wowi und Til Schweiger gaben die Startschüsse für die in drei Wellen startende Menge der ca. 35.300. Hunderte grüne Luftballone stiegen auf. Ehe es jedoch in meinen „Koordinaten“ der Startformation mit dem Lauf losgehen sollte, dauerte es noch ca. 1/4 Stunde (2. Startwelle- eigentlich unfair. Mit diesem zeitlichen Rückstand habe ich ja gar keine Chance, den flotten Keniaten Paroli zu bieten…). Dann endlich ging’s dicht gedrängt über die Zeitlaufmatten los. Nun galt es. Hier half kein Gequatsche, kein Wichtiggetue. Hopp oder Topp!

Die Sightseeingtour begann.

Vorbei an der „Gold-Else“ (Siegessäule, jedoch eingerüstet) ging’s in einem weiten Boden durch Tiergarten, Moabit (am Knast vorbei) bis in die breiten Magistralen von (ehemals) Ostberlin immer im dichten LäuferInnen-Pulk, der jegliche Überholgedanken schon im Keim erstickten. Die Straßenränder und insbesondere die Eisenbahn-Unterquerungen (bei diesem Wetter!!) waren dicht bevölkert. Zahllose musikalische Anfeuerungen von Blechfassdrommlern, kleinen Live-Bands (Rock, Pop, Folk-Musik), Samba-Rhythmen, Bongos, Jazz, elektronischer Live-Musik bis zur Musik aus der Konserve hielten den Adrenalinspiegel und die Stimmung unter den Läufern und dem Publikum hoch.

Schlimm war weniger der Regen von oben, sondern vielmehr die teilweise seenartigen Pfützen auf der Laufstrecke, da gab’s mitunter die Marathondisziplinen Pfützenspringen bzw. Mäanderlaufen und bei manchen eine recht gute B-Note. Aber diese „Späße“ kosten eben auch Kraft und viel Zeit…. In Kreuzberg wurden die Strassen angenehm enger und da war die Stimmung am coolsten. Die Anwohner (!!) beschallten die Rennstrecke in Eigeninitiative mit Rock-Musik „vom feinsten“- Led Zeppelin, Iron Butterfly, Steppenwolf, Cannet Heat… schade nur, aber ich war eben nicht zum Konzert gekommen… also weiter laufen, die Hälfte ist ja fast geschafft.

Halbzeit in Schöneberg (im nahen Rathaus bekannte sich Kennedy 1963 mit seinem berühmten Satz „Ich bin ein Berliner“ zur damals geteilten Stadt), mein mich begleitender Fan-Block an verabredeter Position, Antonia rennt ca. 100 m mit (dann ist auch sie nass wie ein Spreeschwimmer), bleibt zurück (und tschüss). Und die Elite ist schon im Ziel! Dafür habe ich noch ca. 20 km vor mir. Weiter durch Steglitz und Zehlendorf. Am „Wilden Eber“, unter Läuferkreisen als die Stimmungshochburg der Strecke gepriesen, hielt sich jedoch die Stimmung (witterungsbedingt) in Grenzen.

Und dann ging’s in den für mich schwersten Abschnitt des Marathons zwischen km 30 – 34. Und da war am Rand auch (fast) tote Hose. Die Rettung war hier auch weiterhin der Lauf im Pulk, wenngleich nicht mehr ganz so dicht mit genügend Platz zum Überholen. Aber wer hat jetzt noch Lust zu überholen? Da sucht sich doch der in sich gekehrte Läuferblick Abwechslung beispielsweise bei den großteils knackigen Rückansichten der internationalen Mitstreiterinnen. Und dann waren wir in Charlottenburg auf den Ku-Damm in der Tauentzienstr…. Da wurde es wieder dicht und international am Straßenrand. Insbesondere die Dänen fielen mit Ihrer obligatorischen Beflackung und den frenetischen Anfeuerungen aller ihrer in einem nationalspezifisch einheitlichen Outfit auftretenden Landsmännern +-frauen in nachhaltiger Erscheinung. (Es wird gemunkelt, dass Berlin Dänemarks größter Marathon ist…)

Dann liefen wir wieder durch das ehemalige Niemandsland, dem nunmehr supermodernen Potsdamer Platz und wieder über die Spreebrücke in den Osten. Mein Outfit ähnelte nunmehr eher dem eines Spreeschwimmers… Das Ziel war zwar noch nicht in Sichtweite aber schon in Fühlweite gekommen (Luftlinie knapp ein km). Nur noch schlappe 4 km Laufstrecke. Vorbei liefen wir am ehemaligen Checkpoint Charlie, die Leipziger Str. entlang bis zum Gendarmenmarkt, Ostberlins schönstem Platz mit dem deutschen und französischen Dom.

„Nur noch ein Kilometer…“ „ unter 4 Stunden !!!“- Anfeuerungsrufe mobilisierten neue Kräfte. So gestärkt ging’s von der Friedrichstr. kommend in scharfer Rechtskurve in die Prachtallee Unter den Linden mit dem Brandenburger Tor in Sichtweite und dem Ziel dahinter. Vorbei am „Adlon“ und dann laufe ich durch das Brandenburger Tor – für das unbeschreibliche Gefühl war der Moment viel zu kurz. Glücklich im Ziel wurden wir von mehreren Kameras gefilmt bzw. fotografiert (wie auch auf der Strecke); der Kommerz lauert eben überall. Endstation der Sightseeing Regentour.

Nach einem Erdinger Weißbier (selbstverständlich alkoholfrei) beende ich an diesem Tag glücklich und zufrieden meinen Lauf ohne körperliche Eskapaden. Die massierenden Tai-Mädchen habe ich zwar auf dem Start-/Zielgelände nicht gefunden, dafür aber meinen Fan-Block, der auf mich vor dem Reichstag wartete und mich in eine wohltuend entspannende Badewanne geleitete. Was bleibt ist, Danke zu sagen dem SV Eutritzsch für die Unterstützung. Vielleicht gelingt es mir, das „Tunnelgefühl“ mit ins Volleyballspiel zu nehmen und rüber zu bringen in den Liberobereich und die gesamte Mannschaft.

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