Wir befinden uns in der Sporthalle an der Wittenberger Straße in Leipzig – Eutritzsch, 01.02.2023. Bereits auf dem Weg zu den Kabinen liegt ein Kribbeln in der Luft. In der Halle wimmelt es von Rot-Schwarzen Volleyballern. Es riecht nach Medizinbällen, Schweiß, alten Turnschuhen und dazu einer Note Präsidenten-Familie.

Man munkelt in Vereinskreisen, eine spezielle Art der olfaktorischen Reviermarkierung ist lange Familientradition und wird bereits seit Generationen unter den Männern weitergegeben.

An diesem Mittwochabend im Februar heißt es Doppelspieltag für den SV Eutritzsch. Und als wäre das nicht genug, kämpft Eutritzsch II im letzten Spiel der Saison als Tabellenzweiter um den Aufstieg in die Staffel A1 der Hobbyliga Leipzig. Gegner sind niemand geringeres als die Tabellenführer vom SV Makkabi. Aufgrund des emotionsgeladenen Hinspiels wurden höchste Sicherheitsmaßnahmen getroffen: Die Schiedsrichter-Elite aus Eutritzsch ist angereist, inkl. 2 Linienreferees mit Schiedsrichterfahnen in Vereinsfarben, bei denen wohl sogar die Unparteiischen des UEFA Champions League-Finales neidisch werden würden. Nicht zu vergessen die zahlreichen Spielerfrauen, die zum Zweck des Saalschutzes die Position halten.

Während sich die vier angereisten Mannschaften bei motivierender Musik einspielen, werden auch schon die ersten Fangesänge vom Publikum angestimmt. Denn nicht zuletzt die Mannschaft vom SV Makkabi ist mit reichlich Anhängern zum Topspiel angereist. Apropos, unter den Gästen befinden sich aufgrund der erstklassigen Spieltag-Ansetzung auch 3 Ehrengästen von der Ligaorganisation.

– An dieser Stelle nochmal vielen Dank für Euren Besuch und die tolle Arbeit für den Leipziger Breitensport 😊 –

So geht es energiegeladen in den ersten Satz, von Beginn an auf hohem Niveau. Es folgen unterhaltsame Spielzüge und enge Entscheidungen am Netz. Doch dabei zeigen die Männer vom SVE, wie sie dem Druck der Tabellensituation gewachsen sind. Mit Vorteilen treiben Sie den Gegner zunächst in die Auszeit, und letztlich mit klarer Überlegenheit in den 25 : 15 Satzgewinn.

Aus der Linienrichtersicht lässt sich zu diesem Zeitpunkt bereits absehen, das höchste Konzentration gefragt sein wird. Immer wieder werden Entscheidungen von den Spielern angefochten, das Temperament des Gegners lässt sich nur zu gut erahnen.

Der zweite Satz beginnt auf Augenhöhe. Entgegen der Tabellensituation hat Eutritzsch leichte Vorteile im Spiel. Mittlerweile sind, wie es sich für solch ein Spitzenspiel gehört, alle Bankplätze von Zuschauern belegt. Beide Eutritzscher Mannschaften führen in ihren Spielen und feuern sich mit Sprechgesängen gegenseitig an. So schwappt die Stimmungswelle erst von rechts nach links, danach von links nach rechts. Und dazwischen die Zuschauer, wie die Besatzung auf einem Ruderboot, angetrieben durch die energiegeladenen Schläge auf der SVE-Trommel.

Doch ebenfalls angespornt von den Emotionen auf den Zuschauerrängen bleiben die Gäste vom SV Makkabi auf Augenhöhe. Als der Anschlusstreffer droht, muss Trainer Christian reagieren und nimmt eine Auszeit. Leider war das Saalmikrofon des TV-Teams defekt. So werden wir wohl nie erfahren, mit welchen Worten er die Mannschaft auf diese Art erreichen konnte. Denn diese kommt mit tollem Fokus zurück aufs Spielfeld und entscheidet auch den zweiten Satz mit 25 : 21 für sich.

Nun nehmen die ersten Zuschauer das Wort Aufstieg in den Mund. Und nicht nur das: Es wird spekuliert, dass bei einem 3 – 0 Sieg mit dem Tabellenplatz 1 auch ein Startplatz im Finalturnier sicher wäre. Wer meint, die Stimmung müsste an diesem Punkt doch eigentlich am absoluten Siedepunkt sein, der irrt.

Denn eine Mannschaft auf dem Feld hat entschieden etwas gegen einen Eutritzscher Sieg und so wehrt sich die Makkabis mit allen Kräften. Die Gäste gewinnen sehenswert gleich die ersten 3 Punkte im dritten Satz. Die Spieler vom SVE wirken überrascht, kämpfen, schaffen es aber nicht, den Rückstand aufzuholen. Dem Trainer bleibt keine andere Wahl, er zieht die Notbremse: Auszeit und Spielerwechsel. Mit frischem Mittelangriff sollen die nötigen Punkte und damit auch das Spiel über das Zentrum entschieden werden.

Und dieser Plan geht auf. Der SVE schafft mit einem packenden Lauf den Ausgleich und zwingt den Gegner bei 15 : 15 auf der anderen Seite in die Auszeit. Der Pfiff der Unparteiischen wird von hitzigen Diskussionen zwischen Spielern des SV Makkabi und der ersten Schiedsrichterin begleitet. Die aber lässt sich keinesfalls beeindrucken und behält die Situation gekonnt unter Kontrolle.

Letztlich ziehen die Eutritzscher vorbei und stehen beim Stand von 24 : 22 vor ihrem ersten Matchball. Es ist mittlerweile 20:30 Uhr. Über die Halle legt sich eine angespannt Stille. Aufschlag für Eutritzsch…

… ins AUS.

Entsetzen auf den Gesichtern der Fans. Wird das Spiel auf den letzten Metern etwa noch zu Gunsten der Gäste kippen? An dieser Stelle nun ist der tatsächliche Höhepunkt des Spannungsbogens erreicht, die folgenden Sekunden verschwimmen förmlich.

Aufschlag, Annahme, Aufbauspiel, Angriff, Punkt.

Sieg. SV Eutritzsch II gewinnt das Spitzenspiel letztlich verdient und feiert damit den Aufstieg in Leipzigs höchste Hobbyliga-Staffel.

Und an diesem Punkt verlässt ein erleichterter Freudenschrei sogar den Mund des absolut neutralen Linienrichters.

In den Geschichtsbüchern vom Großen SV Eutritzsch wird man später lesen können, wie noch Stunden nach Abpfiff freudige „Aufstieg, Aufstieg“-Schreie aus der Lutherburg die kalte Winternacht im Leipziger Norden erwärmten.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch Männer!!!
Tom-Henri

Ein Kommentar zu „Aufstieg von der Linie

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